
Die Uhr tickt
Philipp-Neri-Haus:
Gemeinderat soll am 13. Juni über Antrag der Kath. Kirchengemeinde für eine Umnutzung entscheiden – Senioreneinrichtung statt Pfarr- und Jugendheim geplant – Weichen für möglichen Abriss sollen in nichtöffentlichen Sitzungen gestellt werden
„Der beabsichtigten Nutzungsänderung wird grundsätzlich zugestimmt.“ Gleich der erste Satz der aktuellen Beschlussvorlage zum Hollager Philipp- Neri-Haus zeigt, dass sich die Gemeindeverwaltung und die Kath. Kirchengemeinde St. Josef offenbar einig sind: Die Kath. Kirchengemeinde soll von ihrer Verpflichtung entbunden werden, das Gebäude weiter als Pfarr- und Jugendheim zu nutzen, so dass Platz für eine Einrichtung für Altenhilfe- und Pflege auf dem rund 1.900 Quadratmeter großen Areal wäre.
Wenn es dafür in der nächsten Sitzung des Gemeinderats am 13. Juni eine Mehrheit geben sollte, könnte ein Abriss des früheren Hollager Rathauses kurz bevorstehen. Genau diese Option sieht ein Antrag der Kath. Kirchengemeinde vor, der am 26. April bei der Verwaltung der Gemeinde Wallenhorst eingereicht wurde und Grundlage der mit dem Zusatz „vertraulich“ am 29. Mai 2018 an die Ratsmitglieder verschickten Beschlussvorlage ist. Eine Information oder ein Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern ist vor der entscheidenden Ratssitzung nicht vorgesehen. Der zukunftsweisende Beschluss für das Philipp-Neri-Haus soll nach den Vorgaben der Verwaltungsspitze am 13. Juni im nicht öffentlichen Teil der Ratssitzung erfolgen nachdem sich ebenfalls hinter verschlossenen Türen einen Tag zuvor bereits die Mitglieder des Verwaltungsausschusses mit dem Thema beschäftigen sollen.
Da die Ratsmitglieder von der Verwaltungsspitze bis dahin ausdrücklich zur Vertraulichkeit verpflichtet wurden, hätte das Vorhaben in aller Stille verabschiedet werden können. „Das geht gar nicht. So kann man nicht mit unseren Bürgerinnen und Bürgern umgehen“, sagen dazu Mitglieder aus mehreren Ratsfraktionen, die ungenannt bleiben möchten, gegenüber dem Bürger-Echo. Sie betonen, dass ein „Ja“ der Gemeinde zu der geplanten Umnutzung – inklusive des dann möglichen Gebäudeabrisses – aus inhaltlichen und auch rechtlichen Gründen fragwürdig ist.
Die Bürgerinnen und Bürger in einer derart wichtigen Frage einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen, sei „wenig demokratisch“, betonen die Ratsmitglieder. Nachdenklich stimme auch das Tempo, mit dem das Ganze vorangetrieben wird. So sei es sehr ungewöhnlich, dass von einem Antrag bis zum Beschluss keine sieben Wochen vergehen sollen und das Thema zuvor nicht im Fachausschuss beraten wurde. Kern der zur Diskussion stehenden Nutzungsänderung ist ein Kaufvertrag, der am 6. August 1981 zwischen der Kath. Kirchengemeinde St. Josef Hollage und der Gemeinde Wallenhorst abgeschlossen wurde. Seinerzeit war ein Kaufpreis von 300.000,- DM vereinbart und gezahlt worden. Der aktuell entscheidende Punkt ist eine seinerzeit in § 7 des Vertrags im schönsten Juristendeutsch vereinbarte Festlegung der Nutzung mit dem folgenden Wortlaut: „Käufer verpflichten sich, das auf dem Grundstück befindliche Gebäude nur als Pfarr- und .Jugendheim zu erwerben.
Für den Fall, dass Käufer dieser Verpflichtung nicht nachkommt, ist Verkäufer berechtigt, die Rückauflassung des Grundstücks auf sich zu verlangen. In diesem Fall ist lediglich der Kaufpreis an den Käufer zurückzuzahlen…“ Im Klartext bedeutet das: Die Kath. Kirchengemeinde kann ihre Pläne für den Bau einer Senioreneinrichtung auf der Fläche des Philipp-Neri-Hauses nur realisieren, wenn die Gemeinde nach einem entsprechenden Ratsbeschluss auf das mit der veränderten Nutzung verbundene Rückkaufsrecht verzichtet. Andererseits könnte die Gemeinde das Areal samt Gebäude für umgerechnet rund 153.000,- Euro zurückkaufen, wenn die Kath. Kirchengemeinde das Philipp-Neri-Haus nicht mehr als Pfarr- und Jugendheim nutzt.
Dass die Kath. Kirchengemeinde einen Neubau des Pfarr- und Jugendheims im Kirchgarten favorisiert und kaum Zukunftsperspektiven für das Philipp-Neri-Haus sieht, wird in dem Antrag vom 26. April deutlich, der dem Bürger-Echo ebenso vorliegt wie die vertrauliche Beschlussvorlage für den nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung am 13. Juni. Auf Seite 3 des Antrags heißt es wörtlich: „…Für die Zukunft sind neben den hohen Unterhaltungskosten vor allem für Renovierungsmaßnahmen und die kurz- bzw. mittelfristig anstehende grundlegende energetische Sanierung des Philipp-Neri-Hauses erhebliche Aufwendungen zu erwarten, die unsere Kirchengemeinde alleine tragen müsste. Denn anders als bei einem Neubau eines Jugend-/Pfarrheimes sind für Umbau- bzw. Renovierungsarbeiten des PNH Zuschüsse von Seiten des Bischöflichen Generalvikariats kategorisch ausgeschlossen worden…“
Es geht also in erster Linie ums Geld, stellt dazu die CDU-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat, Anna Schwegmann, fest. Sie fragt sich, warum die mit mehr als 20 Millionen Euro verschuldete Gemeinde Wallenhorst zu Gunsten der Kath. Kirchengemeinde auf einen hohen sechsstelligen Betrag verzichten soll. Denn diese Summe könnte die Gemeinde im Fall eines Rückkaufs erlösen. Nachfragen des Bürger-Echos bei lmmobilienfachleuten haben ergeben, dass allein das mitten im Hollager Ortskern gelegene, 1.900 Quadratmeter große Grundstück zwischen 350.000,- und 450.000,- Euro wert ist. Auch für das Gebäude könnte man demnach am Markt „einen ordentlichen Preis“ erzielen. Die auch von der CDU-Fraktion begrüßten Pläne für eine neue Senioreneinrichtung könnten „viel besser an anderer Stelle realisiert werden.“
Überlegenswert wäre für Anna Schwegmann auch, die derzeit im Ortsteil Wallenhorst vorgesehene Kinderkrippe im Philipp-Neri-Haus anzusiedeln. Ein Großteil der für den Krippenneubau vorgesehen gut drei Millionen Euro, von denen die Gemeinde Wallenhorst nach Abzug von Fördergeldern rund 2,1 Millionen Euro zahlen müsste, könnten dann eingespart werden, da die für die Krippennutzung erforderlichen Umbau- und Renovierungsarbeiten „sicher deutlich preiswerter wären.“ Ein Pluspunkt für die Ansiedlung der Krippe im Phillip-Neri-Haus sei zudem, dass Hollage der mit Abstand größte Ortsteil der Gemeinde ist. Dass die Gemeinde mit einem „Ja“ für die Umnutzung auf viel Geld zu Gunsten der Kath. Kirchengemeinde verzichten würde, ist für die CDU-Fraktionsvorsitzende auch mit Blick auf die Pflicht zur Gleichbehandlung problematisch. „Wenn wir das so beschließen, müssten wir in Zukunft auch anderen Antragstellern, die sich für die kommunale Infrastruktur einsetzen, finanzielle Vorteile einräumen.“ Möglicherweise wären dann entsprechende Forderungen sogar einklagbar.
Natürlich hätte das Bürger-Echo Sie gern darüber informiert, was die Gemeindeverwaltung zu wichtigen Fragen in Sachen Philipp-Neri-Haus sagt. Entsprechende Fragen wurden der Verwaltung in einer am Mittwoch, 30. Mai, am Vormittag versendeten E-Mail gestellt. Bei einer kurze Zeit später erfolgten Rücksprache erklärte ein Gemeindesprecher, dass die Anfragen sehr kurzfristig gestellt wurden und er daher nicht sagen könne, ob und wann die Fragen beantwortet werden können. Einen Tag später schickte der Sprecher eine E-Mail mit der Info, dass sich Bürgermeister Otto Steinkamp bis Freitag, 1. Juni, gegen 11 Uhr um eine Beantwortung der Fragen bemühen werde. Da dies leider nach dem Redaktionsschluss ist, wird das Bürger-Echo die Antworten erst in der nächsten Ausgabe veröffentlichen können.
Um Klarheit zu bekommen, hatte das Bürger-Echo beim Landkreis Osnabrück nachgefragt, ob Kommunen zu Gunsten einzelner ortsansässiger Akteure auf erhebliche Erlöse verzichten dürfen. Die Antwort der Aufsichtsbehörde lautet wie folgt: „Im geschilderten Fall müssen Rat und Verwaltung der Gemeinde Wallenhorst die Fragen im Zusammenhang mit dem Philipp-Neri-Haus im Rahmen einer Gesamtkonzeption klären und eine Entscheidung treffen. Hierzu sind alle relevanten Fakten – einschließlich der Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit- in die Prüfung einzubeziehen und abzuwägen.
Dazu gehören auch die Optionen, die sich aus den zwischen der Gemeinde und der Kirchengemeinde geschlossenen Verträge ergeben. Insoweit ist eine isolierte kommunalrechtliche Bewertung der geschilderten Sachlage nicht angezeigt.“ Für den Vorsitzenden der SPD/FDP-Gruppe im Gemeinderat, Guido Pott, ist die Sache klar: „Die Sicherung einer möglichst guten Infrastruktur ist für die Gemeinde wichtiger als ein maximaler Verkaufserlös.“ Er werde sich daher für eine Zustimmung für den vorliegenden Antrag der Kath. Kirchengemeinde einsetzen: „Ich gehe davon aus, dass die Entscheidung in den politischen Gremien noch vor der Sommerpause fallen wird.“ (H.)
Quelle: Bürger-Echo v. 06. Juni 2018