Wertvoller Wikinger-Schatz unter der alten Kirche?

Wertvoller Wikinger-Schatz unter der alten Kirche?

Ein modernes Märchen in Fortsetzungen, Teil 11

Wir erinnern uns: Auf dem letzten Treffen der Initiative zur Rettung der Alten Dorfkirche hatte Holger von der geheimen Sitzung des Gemeinderates berichtet. Ein Regenrückhaltebecken sollte durch die Fa. Schwarzbuch KG auf dem Grundstück der Alten Kirche entstehen. Man beschloss, zu einer Bürgerversammlung im Gasthaus einzuladen.

Am Tag nach der Bürgerversammlung ist Alfred E. Neumann auf dem Weg zur Bäckerei um Brötchen für das Frühstück zu holen. Als er in den Heckenweg am Kirchhof einbiegt, steht plötzlich Schrotty-Fee, wie aus dem Boden gestampft, vor ihm. «Na Alfred», fragt sie spitz, «wie ist es gestern bei der Versammlung im Dorfkrug gelaufen? Was habt ihr erreicht?»

Alfred schluckt, jetzt taucht diese penetrante Dame aus Reykjavik auch schon tagsüber auf. Was soll´s. «Nun gut», beginnt er, «erst dachten wir, es folgt niemand unserer Einladung, zumal der Prokurist der Schwarzbuch KG uns wissen ließ, dass er zu unserer «sogenannten Bürgerversammlung» nicht kommen könne. Dann füllte sich der Saal plötzlich, überwiegend mit den bei der Schwarzbuch KG beschäftigten Bauarbeitern. Vermutlich hatte man ihnen gesagt, sie würden ihre Arbeitsplätze verlieren, wenn die alte Dorfkirche nicht abgerissen würde, und dann kein Regenrückhaltebecken gebaut werden könne.

Fast alle hatten sie ihre olivgrüne Anglerkluft angezogen, denn die meisten von ihnen gehören dem örtlichen Angelverein an. Das war ein schon ziemlich beeindruckender Aufmarsch und es wundert mich nicht, dass sie sich für das Rückhaltebecken als Angelrevier und gegen die Dorfkirche aussprachen.  Einige ließen sogar durchblicken, sie hätten die alte Kirche bislang für eine verfallene Ruine gehalten.»

Alfred redet sich jetzt in Rage. «Es ging ganz schön emotional daher», meint er, » aber in einer funktionierenden Dorfgemeinschaft muss man sich bei Meinungsverschiedenheiten und konträren Ansichten auch mal ganz offen die Meinung sagen dürfen. Dafür leben wir in einer Demokratie, in der einsame Beschlüsse hinter verschlossenen Türen keinen Platz finden dürfen. Ganz abgesehen davon, dass überhastete Aktivitäten oft mit handwerklichen Fehlern behaftet sind.»

«Und was ist mit dem alternativen Standort für das Rückhaltebecken im Industriegebiet neben der Schwarzbuch KG?» insistiert Schrotty-Fee, «der ist von der Lage her und für die Anbindung des Wassersports doch viel besser geeignet». Alfred stöhnt auf, als er daran erinnert wird. «Du wirst es nicht glauben wollen», antwortet er, «für die Verantwortlichen der Schwarzbuch KG ist das Areal im Industriegebiet  tabu. Das sei ein Biotop, welches der Naherholung dienen könnte und sei auch für das jährliche Betriebsfest unverzichtbar.

Zudem gibt es dort einen öffentlichen kostenfreien Parkplatz für die Besucher der Mucki-Bude und des gegenüber liegenden Schuh-Outlets. Das soll auch so bleiben und man würde selbst im Traum nicht darüber nachdenken, das zu ändern.

» Und an die Fee gewandt schiebt er nach: «Vielleicht solltest du mal deine Aktivitäten zur Schwarzbuch KG verlagern. Man kann fast den Eindruck gewinnen, unter der alten Kirche wird ein wertvoller Wikinger-Schatz vermutet, der beim Abriss gehoben werden soll».

Wie sie gekommen ist, so verschwindet die Fee aus Island plötzlich wieder. Alfred schaut auf seine Uhr. Er hat jetzt keinen Appetit mehr und in der Bäckerei wird er sicher zugetextet. Er dreht sich um und geht zum Kiosk am Dorfplatz. Mal sehen, was in der heutigen Dorfzeitung über die gestrige «sogenannte Versammlung» zu lesen ist.

Fortsetzung folgt:                                                                                                                                                                                                                            makuru

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